Ein Kampf für die Gesellschaft der Vielen

Bundestag: Debatte zum 8. März, Frauentag. Es geht um „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“, Bildungschancen für Mädchen, Frauen an der Spitze der Wirtschaft, Politik und Verwaltung, Gewaltschutz. Finanzierung der Frauenhäuser, so vieles mehr.

#NoAFD setzt die These, dass doch alle in Deutschland juristisch die gleichen Rechte haben. Dass die Debatte deshalb überflüssig sei. Uns, den demokratischen Fraktionen, geht es aber um die gelebte Wirklichkeit, das angewandte Recht, die verfestigten Rollenverhältnisse, die das Wahrnehmen von allen Rechten nicht in gleicher Weise erlauben. Darüber allein könnte ich hier jetzt Seiten niederschreiben. Die Kolleginnen haben in ihren Reden alle gute Antworten dazu. Das interessiert die Fragestellerin der #NoAfD aber gar nicht, stattdessen reduziert sie die weitere Debatte auf das Geschlecht einer Kollegin. Darf Tessa Ganserer, meine Fraktionskollegin im Bundestag, eine Frau sein? Diese dazugehörige Rede ist vollgespickt mit Deadnaming (Deadnaming bedeutet, dass eine transsexuelle oder nicht-binäre Person mit dem Namen bezeichnet wird, den sie vor ihrer Umwandlung trug, z. B. mit ihrem Geburtsnamen. Die Nutzung des alten Namens geht gewöhnlich mit einer abwertenden Nicht-Anerkennung des neuen Namens, bzw. des geänderten Gender-Status einher.), Beleidigung, Fremdouting – persönlicher Diffamierung.

Um gleich klar zu stellen, Tessa ist eine Frau, trans und selbstbestimmt! Wir als Grüne erkennen Selbstbestimmungsrechte an und werden dafür auch immer einstehen.

Von Outing und Schubladen

Viele versuchen sie auf ihr Outing zu reduzieren. „Outing“ ist ein Wort wohinter sich so vieles verbirgt. Jemanden outen- unfreiwillig von anderen quasi verpetzt werden, sich selbst outen, eigene besondere Eigenschaften der Umgebung mitteilen. Im Internet gibt es sehr viele Tipps. „Willst du dich outen, dann sprich erst mal mit jemanden, dem du vertraust und du dir sicher bist, dass die Reaktion positiv ausfällt.“ Das ist ein Hinweis darauf, dass mit dem Outing erst mal ein schwieriger Weg eingegangen wird. Warum das Ganze? Weil wir gesellschaftliche Schubladen gewohnt sind. Schubladen im Denken und im kulturellen Umgang miteinander geben klare, einfache Orientierung, was vermeintlich gut und richtig ist und was falsch ist und damit schlecht. Schubladen geben manchen Halt und machen das Leben auch hier vermeintlich leichter.

Schubladen schränken uns aber auch ein, machen uns engstirnig, intolerant, ignorant. Wird etwas in eine Schublade gesteckt, kann man es nicht mehr richtig sehen, die Schublade kann auch einfach zugeschoben werden. Sie erleichtern das Leben nicht, denn sie lassen das Schöne im Leben, das Vielfältige, Aufregende, Andersartige überhaupt erst nicht zu. Schubladendenken grenzt aus, führt in der Extremform zu Diskriminierung, Hass und Hetze. Wollen wir das? Ich sage nein!

In so eine Schublade wird gerade meine Kollegin Tessa Ganserer gesteckt. Mann, Frau, zwei Geschlechter! Sie will ihr Leben aber nicht in einer Schublade verbringen und sie fordert von uns zu Recht ein, ebenso diese Schubladen zu öffnen, am besten zu verlassen. Sie will auch nicht ausschließlich auf „Transidentität“ reduziert werden. Sie ist wer sie ist, sie ist Tessa, eine gute Umweltpolitikerin, sie hat fachlich einiges drauf, eine Bildungsaufsteigerin aus eigener Kraft, Hauptschule, Ausbildung, Fachhochschule, MdL, MdB. Sie kann stundenlang über Waldbestände und Forstwirtschaft reden. Wie sie sich kleidet, als was sie sich selbst fühlt, tritt in den Hintergrund, bei einem Glas Wein oder Spaziergang durch den Wald. Warum also spielt das eine Rolle, was sie anzieht und welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlt?

Vielfalt ist unsere Realität

Es ist schwierig, Dinge nachzuempfinden, die man selbst nicht erlebt hat. Aber nur, weil sich etwas außerhalb der eigenen Realität abspielt, bedeutet dies nicht, dass es nicht trotzdem ein gleichwertiger Teil der Realität ist. Genauso ist es mit dem Geschlecht. Die Spezies Mensch besteht aus mehr als aus Mann und Frau. Sie besteht aus geschlechtlicher Vielfalt. Dass diese Realität nun endlich auch in deutsches Personenstandsrecht umgesetzt wird, ist ein sehr wichtiger und richtiger Schritt. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob dies auf hunderttausend oder nur auf einen Menschen zutrifft. Alle Menschen haben das Recht auf Anerkennung ihrer Persönlichkeit und auf Schutz vor Diskriminierung.

Aber erlauben das auch unsere Gesetze? Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) wurde im Jahre 1980 verabschiedet. Es soll Menschen die Möglichkeit geben, rechtlich in der zu ihrer empfundenen Geschlechtsidentität passenden Geschlechtsrolle festgestellt zu werden, die von ihrem ursprünglich medizinisch-formaljuristisch festgestellten Geschlecht abweicht. Aber funktioniert das?

Felicitas Ewert beschreibt, wie sehr die Verfahren in die Privatsphäre gehen, wie menschlich erniedrigend und schwierig sie sind. Weshalb wir auch endlich dieses Gesetzt ändern müssen.

Auch dafür kämpft Tessa Ganserer. Was wir für uns als „privat“ definieren, dürfen andere auch. Deshalb solidarisiere ich mich mit Tessa. Sie kämpft für viele andere in dieser Gesellschaft der Vielen. Und damit nicht nur für ihre Rechte, sondern für unserer gemeinsamen Werte die in den Worten Grundrechte, Freiheit, Gerechtigkeit niedergeschrieben sind. Wir alle sollten uns outen, als Menschen, die Schubladen wegwerfen, in einer Gesellschaft, in der diese keinen Platz mehr haben sollten.

Im Bundestag haben wir das über Parteigrenzen hinweg als Demokrat*innen in der Debatte gezeigt! Jetzt gilt es auch das Recht du das angewandte Recht dazu anzupassen. Und damit wären wir wieder in der ursprünglichen Debatte: 8.März!

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