Strasbourg
Leben im Zug
Bahnfahren gehört zu meinem Alltag. Dank des Ausbaus der Bahn schaffe ich es inzwischen – wenn alles klappt und ohne Verspätungen – innerhalb von 5-6 Stunden von Stadtmitte Berlin nach Ulm Hbf. Das alles hin und zurück 2-3 mal im Monat, da kommt einiges an Stunden zusammen.
Ihr glaubt sicher, yes, cool! Endlich mal netflixen, lesen, Schlaf nachholen! Denkste, für mich ist das eine sehr intensive Arbeitszeit, endlich mal Pressespiegel in Ruhe lesen, Mails bearbeiten, mich in Themen reinlesen, twittern (Medienarbeit ist ein sehr wichtiger Teil meines Jobs, ihr wollt ja schließlich wissen, was ich den ganzen Tag so treibe, oder?), telefonieren (Das hasse ich sehr. Ich will meine Umgebung nicht mit unterhalten, auch nicht von ihnen unterhalten werden, was nicht immer ausbleibt). Ganz wichtig auch: den Terminkalender befüllen und planen… Ok, letzteres kann ich eigentlich vergessen. Bis zu meinem Wechsel ins Ministerium waren zwei Menschen ausschließlich damit beschäftigt, meine Terminanforderungen in den Tagen von morgens 8.00 Uhr bis Abends 22.00 Uhr unterzubringen, inzwischen sind es vier! Den Kampf um die selbstbestimmte Gestaltung meines Arbeitslebens habe ich gleich mit dem Eintritt über die Schwelle des Ministeriums aufgegeben. Aber dass inzwischen noch nicht mal mehr Zeit für meinen geliebten Friseurbesuch drin ist, fällt mir schon schwer. Heute, wieder unterwegs, habe ich während der Bahnfahrt immerhin über 80 Mails abgearbeitet, vier Telefonate (ja leider– Ausnahmen bestätigen die Regel) geführt und jetzt wollte ich tatsächlich ein paar Texte lesen, da fiel mir mein Tagebuch ein.
Straßburg
Was war besonders in den letzten Tagen, was habe ich erlebt? Ganz sicher mein Besuch im schönen Straßburg. Stellvertretend für Anne Spiegel durfte ich Deutschland in der Jugendministerkonferenz in Straßburg vertreten. Ich. In der Türkei geboren. In Bayern aufgewachsen. Arbeitsort Berlin. Vertrete Deutschland. Mein erstes Familienfoto.
Und beim Abendessen musste ich auch noch mit dem Überbleibsel meiner Schul-Französisch-Kenntnisse Konversation üben! Bei der Gelegenheit Danke an meinen Französisch-Lehrer Herrn Plappert, dass sie mich nicht aufgegeben haben! Es war offenbar nicht alles umsonst!
“In Straßburg sind am 27. Januar die für Jugend und Bildung zuständigen Ministerinnen und Minister der Europäischen Union zusammengekommen. Sie tauschten sich darüber aus, wie das Engagement junger Menschen im Bereich Nachhaltigkeit aufgegriffen werden und bei der Gestaltung von Politik besser berücksichtigt werden kann. Zu dem informellen Treffen hatte Frankreich eingeladen. Das Land hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Für Deutschland nahm die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesjugendministerin, Ekin Deligöz, teil.”
So lautet die Meldung auf der Seite des Ministeriums. In meinem Herzen: WOW….
Ich habe dort ganz tolle Menschen, spannende Menschen kennengelernt, z.B. Sarah El Haïry, die Kamala Harris der Franzosen. Von ihr werden wir noch hören. Sie ist die Hoffnung vieler Maghrebis in Frankreich und – ich darf sie so nennen <3 – eine tolle Freundin. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.
Überhaupt, die Deutsch-Französische Freundschaft lebt! Vielleicht darf man es nicht sagen, aber ich fühlte mich immer etwas bevorzugt behandelt. Durfte gleich vorne auf dem Familienfoto stehen und hätte es Corona zugelassen, wäre ich womöglich mehrfach umarmt worden. Offensichtlich haben meine Vorgänger sich nicht so oft zeigen lassen. Auf meine Rede sind gleich mehrfach andere Redner*innen eingegangen. Kein Wunder, es ging ja auch um ökologische Nachhaltigkeit und die Rechte kommenden Generationen. Und ein Satz durfte in dieser Rede auf keinen Fall fehlen: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“!
Und wie bin ich da hingekommen? Natürlich mit der Bahn…
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