Haushalt ohne Zukunft

Fehlstart für Olaf Scholz

Kein anderer Finanzminister hatte zu Beginn seiner Amtszeit eine so gute Ausgangslage: 46 Milliarden Euro stehen für die Regierungszeit zur Verfügung. Für den Finanzminister wäre das die Gelegenheit zu glänzen. Eine Idee für die Gesellschaft lässt sich im Haushalt allerdings nicht finden. Statt Prioritäten zu setzen, wird mit der Gießkanne ausgeschenkt. Es fehlt ein Ziel und deswegen fehlt auch ein Plan. Weder Olaf Scholz noch der Rest der Koalition haben eine gemeinsame Idee, wohin die Reise in Deutschland und Europa gehen soll. Bereits zu Beginn der Legislaturperiode wird deutlich: Diese Regierung ist ausgebrannt. Die Große Koalition ist ein Modell der Vergangenheit und hat keine Zukunft.

Der Haushalt 2018 ist ein unglaublicher Fehlstart für Olaf Scholz. Er scheut mutige Entscheidungen und gestaltet daher im Haushalt nicht. Der SPD-Vizekanzler verwaltet den Status Quo von Wolfgang Schäuble einfach weiter. Weder stärkt der Haushalt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, noch trumpft er bei Zukunftsinvestitionen und beim Klimaschutz. Man fragt sich, ob das Finanzministerium in den Händen der SPD oder der CDU liegt. Das ist ein müdes ‚weiter so‘, aber sicher kein Aufbruch – kein Politikwechsel im Finanzministerium.

Das Fundament bröckelt – die fetten Jahre gehen vorbei

Statt gezielt in die Zukunft und den sozialen Ausgleich zu investieren, verteilt die Koalition Milliarden mit der Gießkanne nach den Interessensphären der drei beteiligten Parteien. Eine gemeinsame Linie, einen gemeinsamen roten Faden gibt es nicht. Der Grund dafür ist klar: Diese Regierung wollte nicht zusammen regieren. Wer eigentlich gar nicht zusammenarbeiten will, schafft es auch nicht, etwas Gemeinsames für die Zukunft zu schaffen. Das mag die letzten vier Jahre noch mit Ach und Krach funktioniert haben. Doch diese Art der Politik geht an die Substanz der Gesellschaft. Das Fundament bröckelt und die Koalition aus CDU, CSU und SPD verweigert die Arbeit an einem Sanierungsplan.

Der Haushalt braucht ein stabiles Fundament. Die aktuell gute Lage im Haushalt blendet über viele Probleme in der Substanz hinweg. Die Haushaltsspielräume sind das Nebenprodukt der historisch einmaligen Niedrigzinsphase und fehlender Investitionen. Zusätzlich werden Kosten auf die Sozialversicherungen abgewälzt. Die brummende Konjunktur erzeugt gute Steuereinnahmen und die niedrigen Zinskosten haben den Staatshaushalt seit 2008 um unglaubliche 162 Milliarden Euro entlastet. Damit hat Mario Draghi deutlich mehr für den ausgeglichenen Haushalt geleistet als Wolfgang Schäuble.

Ändert sich das Zinsniveau sieht es ganz schnell anders aus. Auf eine Zinswende folgt im Regelfall ein Einbruch der Konjunktur. Die Steuereinnahmen sinken, die Zinskosten steigen wieder. Dafür muss Vorsorge getroffen werden. Stattdessen erfreut sich der Finanzminister an der glänzenden Fassade und übersieht die drohenden Löcher im Fundament. Schlimmer noch: Er bohrt die Löcher noch auf, statt sie zu verschließen. Bestes Beispiel dafür ist der Abbau des Solidaritätszuschlages ohne eine gerechte und dauerhafte Gegenfinanzierung. Das reißt ein zweistelliges Milliardenloch in den Haushalt.

Auch das geplante Baukindergeld wird vor allem höheren Einkommen dienen, ist milliardenschwer und nicht dauerhaft gegenfinanziert. Überhaupt sind viele Koalitionsprojekte so angelegt, dass sie erst zum Ende der Wahlperiode ihre volle Kostenwirkung entfalten. Das dicke Ende kommt ab 2022 und fällt der nächsten Regierung auf die Füße. Auch die fehlenden Investitionen belasten zukünftige Haushalte. Eine regelmäßige Wartung unserer Infrastruktur kostet weniger als Sanierung oder komplette Instandsetzung. Die Investitionsquote ist aber im freien Fall; im Jahr 2021 beträgt sie nur noch 9,6%. Schnelles Internet, gute Schulen, einen funktionierenden ÖPNV, bezahlbare Wohnungen gibt es so nicht. Das ist keine nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik.

Der neue Finanzminister Olaf Scholz schafft damit strukturelle Probleme im Haushalt in einer guten konjunkturellen Lage. Die Lösung dieser Probleme werden der Nachfolgeregierung und der Bevölkerung vor die Füße gekippt. Um den Haushalt auf ein besseres, nachhaltiges Fundament zu stellen, braucht es den systematischen Abbau umweltschädlicher Subventionen, ein hartes Controlling bei Großprojekten, eine Kürzung unsinniger Ausgaben, eine Steigerung der öffentlichen Investitionen und eine Verbesserung der Einnahmeseite.

Europa – Von Aufbruch ist nichts zu spüren

Der Koalitionsvertrag hat einen Aufbruch für Europa versprochen. Nur lösen die Regierung und der zuständige Minister das nicht ein. Weder im Haushalt noch im Finanzplan finden sich mehr Mittel für den europäischen Haushalt. Macron und Juncker zeigt Olaf Scholz die kalte Schulter. Damit wird das wichtige und knappe Zeitfenster vor der Europawahl fahrlässig verschenkt. Der Handlungsdruck ist aber hoch, denn aus der Finanzkrise ist längst eine politische und soziale Krise Europas geworden. Ganz Europa wartet auf die Antwort Deutschlands. Aber Olaf Scholz schweigt sich aus.

Olaf Scholz muss jetzt Farbe bekennen. Will er das umsetzen, was Martin Schulz in den Koalitionsvertrag eingebracht hat oder setzt er die falsche Europapolitik von Wolfgang Schäuble fort? Es braucht hier Mut und Willen. Es braucht den Mut für mehr Europäische Integration und den Willen die Wirtschafts- und Währungsunion endlich krisenfest zu machen. Die Vollendung der Bankenunion, die Einrichtung eines demokratisch durch das EU-Parlament kontrollierten Europäischen Währungsfonds und eine Investitionsoffensive für Europa müssen nach vorne gestellt werden.

Klima – Das Wichtigste wird totgeschwiegen

Um den Schutz unseres Klimas und unserer Umwelt hat sich in der Koalition aus CDU, CSU und SPD ein Schweigekartell gebildet. Im Haushalt finden sich für die Herausforderung dieses Jahrhunderts keine neuen Antworten. Dabei ist eigentlich allen klar: Ein simples ‚weiter so‘ führt zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Weiterhin fördert die Bundesregierung nicht die Klimarettung, sondern die Klimazerstörung mit Milliardensubventionen. Mit über 50 Milliarden Euro jährlich wird eine klima- und umweltschädliche Produktion gefördert. Das fängt bei der Subventionierung von Diesel und schweren Dienstwagen an, geht über die Förderung der Flugindustrie bis zur Subventionierung von Plastiktüten. Diese Subventionen zerstören unsere Lebensgrundlagen und kosten sehr viel Geld. Jetzt ist die Zeit, um sie abzubauen. Das ist gut für den Haushalt und das Klima. Denn mit den frei werdenden Mitteln kann in den öffentlichen Nahverkehr, Erneuerbare Energien und gut gedämmte Häuser investieret werden.

Gerechtigkeit – Der Zusammenhalt ist gefährdet

10 Milliarden Euro jährlich kostet der geplante Abbau des Solidaritätszuschlags. Das ist ca. ein Viertel des gesamten Haushaltsspielraums für die Regierungszeit. Wer mit Mindestlohn Vollzeit arbeitet, hat davon nichts. Eine Krankenschwester hat davon etwa 20 Euro. Vor allem die obersten zwanzig Prozent der Einkommen werden von den Soli-Plänen der Groko begünstigt. Eine zielgerichtete Unterstützung von kleineren Einkommen oder gar die Bekämpfung von Armut ist das nicht. Für Menschen, die von Armut bedroht sind oder bereits arm sind, findet sich im Haushaltsentwurf wenig. Statt in unserer reichen Gesellschaft Armut wirksam zu bekämpfen, verteilt sie die Milliarden mit der Gießkanne wie bei der Mütterrente II. In anderen Feldern spult die Regierung Maßnahmen zur Sicherung sozialer Teilhabe pflichtschuldig und möglichst kostengünstig ab. Die milliardenschwere Unterfinanzierung bei der Förderung von Arbeitslosen ist nur ein Beispiel dafür. So bleiben arme Kinder arm, arme Rentner*innen auch. Im Bildungs- und Wissenschaftsbereich kann die Koalition nicht darüber hinwegtäuschen, dass es größerer und schnellerer Anstrengungen für flächendeckend gute Ganztagsschulen und ein besseres BAföG bedarf. Und auch beim „neuen“ Armutstreiber Wohnen mangelt es der Koalition wieder an Entschlossenheit – und am Geld für den sozialen Wohnungsbau. Dadurch wird sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in unseren Städten weiter verschärfen. So nimmt die Regierung die Spaltung der Gesellschaft weiter in Kauf, statt Wege aus der Armut zu schaffen. Es braucht eine Offensive für Gerechtigkeit! 

Frieden – Aufrüstung schafft keinen Frieden

Nach der Planung von Olaf Scholz sollen die Ausgaben in keinem anderen Bereich so stark steigen wie bei der Bundeswehr. Bis 2021 will diese Bundesregierung die Mittel für die Bundeswehr und Rüstung um mehr als ein Drittel im Vergleich zu 2013 steigern. Die beiden Ministerien, die für eine friedliche Konfliktlösung stehen – das Außenministerium und das Entwicklungsministerium –, werden im gleichen Zeitraum deutlich weniger Geld zur Verfügung haben. In einer Zeit, in der Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit mehr denn je gebraucht werden, sendet dies ein falsches Zeichen. Denn die internationalen Konfliktherde nehmen zu und mit der Unzuverlässigkeit der US-Regierung unter Trump – nicht nur in Fragen der zivilen Konfliktbewältigung – müssen die Staaten der Europäischen Union international einen Schritt nach vorne gehen. Zusätzliche Milliarden für den Rüstungsetat sind die völlig falsche Entscheidung. In einer Situation, in der kein Etat im Bundeshaushalt derart für den laxen Umgang mit Steuergeldern steht wie der Verteidigungsetat, werden weitere zusätzliche Gelder die aktuellen Probleme der Bundeswehr nicht lösen. Fehlplanungen, unsinnige Rüstungsprojekte, die teilweise nicht mehr sind als Wahlkreisgeschenke, sowie mangelndes Controlling –  das sind die Probleme der Bundeswehr. Ursula von der Leyen muss endlich ihren Job machen und nach vier Jahren der Diagnose unter Beweis stellen, dass ihr Haus mit Geld umgehen kann. Es braucht mehr Anstrengungen für den Frieden statt immer neue Kriegsgeräte. Im Haushalt müssen mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, für die zivile Krisenprävention und für den internationalen Klimaschutz bereitgestellt werden.

Das Papier der Haushälter*innen zum Haushalt 2018 als PDF:

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