PRESSEMITTEILUNG: Haushalt 2019: Es braucht Wille für Veränderung

Zur ersten Lesung des Haushalts erklären Sven-Christian Kindler, Anja Hajduk, Dr. Tobias Lindner und Ekin Deligöz:

Finanziell war die Ausgangslage selten so gut wie jetzt. Wer will, kann politisch gestalten und wichtige Veränderungen anstoßen. Es ist möglich der Klimakatastrophe und dem Artensterben etwas entgegen zu setzen. Es ist möglich für mehr Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Und es ist möglich globale Gerechtigkeit voranzubringen und weltweit die Menschenrechte zu stärken. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 lässt einen aber ernüchtert zurück. Die Bundesregierung nutzt diese Möglichkeiten nicht. Ihr fehlt der Wille wirklich etwas zu ändern.

Die Große Koalition kann die Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft stehen, nicht länger ignorieren, ohne dass dafür ein hoher Preis zu zahlen ist. Der Hitzesommer und die Dürre haben die Klimakatastrophe auch in Deutschland spürbar gemacht. Die große soziale Ungleichheit ist eine immense Belastung für das Land. 10 Jahre Finanzkrise haben in Europa zu schweren Verwerfungen geführt und international entstehen neue Konfliktherde, während alte noch immer nicht gelöst sind. Die Reaktion der Koalition aus CDU, CSU und SPD: Sie machen den Vogelstrauß, Kopf in den Sand.

Die Koalition verspielt die Chancen, die sie durch die immer wiederkehrenden Überschüsse zur Verfügung hat. Die Überschüsse der öffentlichen Hand eröffnen die Möglichkeit grundlegender zukunftweisender Weichenstellungen und struktureller Veränderungen, um unser Wirtschaften und unsere Gesellschaft zukunftsfest zu machen. Der Bundeshaushalt muss bereits jetzt für stürmischere Zeiten wetterfest gemacht werden. Dies gilt für eine Veränderung beim Zinsniveau, ein Abflauen der Konjunktur oder auch durch die Herausforderungen der globalen Krisen und des demographischen Wandels. Eine solche weitsichtige und nachhaltige Haushaltspolitik sucht man bei der Großen Koalition vergeblich.

GRÜNE haben Wille für Veränderung – für eine gerechte und nachhaltige Haushaltspolitik

Das geht besser. Die Lösung liegt In einem offenen Blick auf die Probleme unserer Zeit. Mit grünen Ideen und Konzepten lässt sich viel erreichen. Dabei sind die Grünen Stellschrauben am Haushalt der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben den Willen für Veränderung. Umschichtungen im Verkehrsbereich von der Förderung alter Technologien hin zu einer modernen Mobilität in einem cleveren Mix aus Radverkehr, Elektromobilität, ÖPNV und Bahn leiten die notwendige Verkehrswende ein. Der Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen bringt eine doppelte Rendite. Milliarden mehr für Klimaschutz im Haushalt und keine Steuergelder mehr für die Zerstörung des Klimas. Allein im internationalen Klimaschutz können wir 800 Millionen Euro mehr investieren. Angesichts der diesjährigen Ernteausfälle aufgrund der Hitze braucht es Investitionen in Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an den Klimawandel. So können wir der sich rasant verschärfenden Klimakatastrophe etwas entgegenstellen.

Mehr Gerechtigkeit und die Bekämpfung von Armut ist gerade auch eine Frage des Willens und der richtigen Prioritätensetzung. Ein weitreichender Umbau des Kinderzuschlags, beginnend bei einer automatischen Auszahlung, hilft Familien, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Das bedeutet vier Milliarden Euro zusätzlich für Familien. Eine steuerfinanzierte Garantierente drängt Armut im Alter drastisch zurück. Mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und eine neue Wohngemeinnützigkeit helfen gegen den Mietenwahnsinn in den Städten. Gerechte Bildungschancen mit guten Kitas und Schulen sowie neue Investitionen in die kommunale Daseinsvorsorge schaffen die Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe Aller. Das ist nötig, denn in einem so reichen Land wie Deutschland kann und muss viel mehr gegen Armut unternommen werden.

Mit den Leitsätzen guter Regierungsführung braucht es nicht Skandal um Skandal über Verschwendung öffentlicher Mittel. Mehr Controlling, die Abkehr von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften im Verkehrsbereich, mehr Transparenz im Bundeshaushalt zum Beispiel durch eine bessere Bilanzierung des öffentlichen Vermögens – Das ist kein Hexenwerk. Man muss es nur wollen.

Mit unser Grünen Haushaltspolitik wollen wir ein Angebot an all diejenigen machen, die noch Hoffnung auf progressive Politik haben. Wer mit offenen Augen und kreativem Kopf an die Probleme unserer Zeit herangeht, ist in der Lage Alternativen anzubieten. Wir haben den Mut wirklich etwas zu verändern. In den letzten Haushaltsberatungen haben wir 14 Milliarden Euro für eine gerechte, eine klimafreundliche und eine friedliche Gesellschaft bewegt, gegenfinanziert über den Abbau klimaschädlicher Subventionen, Umschichtungen und Einnahmeverbesserungen. Auch für diesen Haushalt gilt für uns: Eine bessere Welt ist möglich.

Dienst nach Vorschrift: Bundesregierung fehlt Wille für Veränderung

Finanzminister Olaf Scholz arbeitet lustlos den ambitionslosen Koalitionsvertrag ab. Das ist zwar bequem, aber Dienst nach Vorschrift reicht nicht. Neue Ideen, neue Impulse sind im Haushalt Mangelware. Und an den Stellen, wo Neues geschieht, sind die Weichen falsch gestellt, so wie beim Baukindergeld oder dem Abbau des Soli. Oder man versucht bei neuen sinnvollen Maßnahmen möglichst sparsam zu sein und konterkariert damit die eigene Zielsetzung. Es fehlen wirksame Konzepte und eine sinnvolle Prioritätensetzung. Das führt dazu, dass selbst dann wenn die Richtung stimmt, keine relevante Wirkung entsteht.

Der Investitionsstau in Deutschland, vor allem in den Kommunen, nimmt immer weiter zu. Der kommunale Investitionsstau summiert sich auf über 150 Milliarden Euro. Hierauf hat der Finanzminister noch immer keine passende Antwort gefunden. Immer mehr Menschen spüren, dass die Zeit der Kleinkrämerei ein Ende haben muss. Die Unzufriedenheit über den schlechten Zustand von Schulen, zu wenig Kitaplätze, fehlende Busse und Bahnen, schließende Schwimmbädern und Theater, lahmes Internet und teure Wohnungen hat ihren Grund. Es braucht neue Lösungen, um den kommunalen Investitionsstau aufzulösen. Dabei brauchen vor allem die Kommunen in Notlagen eine stärkere Unterstützung. Zwar feiert sich die Bundesregierung immer wieder für glänzende Programme, aber sie packt das Problem nicht an der Wurzel.

Erschweren kommt hinzu, dass die bestehenden Investitionsprogramme viele nicht ausreichend abfließen. Auch hier: Es fehlt das Konzept, die Investitionsstrategie, die Verlässlichkeit. Alles bleibt oberflächlich, die eingesetzten Mittel verpuffen, ohne grundlegende Fortschritte zu erzielen. Weder Kommunen noch Länder können sich bei dem Zickzackkurs des Bundes auf dauerhafte Investitionsmittel einstellen. Wer nicht weiß, wie lang ein Programm wirklich laufen wird, wieviel Geld am Ende zur Verfügung steht und ob Anträge überhaupt bewilligt werden, schafft auch keine neuen Stellen für Planerinnen und Planer. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen wäre aber die Aufgabe des Finanzministers.

Strukturelle Veränderungen scheut der Finanzminister wie der Teufel das Weihwasser. Dabei braucht der Haushalt dringend ein stabiles Fundament. Die Koalition aus CDU, CSU und SPD setzt aber den Presslufthammer an genau dieses Fundament. Sie beschließt neue Ausgaben, deren Finanzierung sie den Folgeregierungen vor die Füße kippt. Das beginnt beim Baukindergeld, geht über die Mütterrente II und endet beim Abbau des Solis ohne eine gerechte Gegenfinanzierung. Durchdachte, solide Finanzpolitik ist das nicht. Durchdachte, solide Sachpolitik auch nicht. Um den Haushalt auf ein besseres, nachhaltiges Fundament zu stellen, braucht es den systematischen Abbau umweltschädlicher Subventionen, ein hartes Controlling bei Großprojekten, eine Kürzung unsinniger Ausgaben, eine Steigerung der öffentlichen Investitionen und eine gerechte Verbesserung der Einnahmeseite.

Klimakrise – Zerstörung unserer Lebensgrundlage

Die Klimakrise wird einfach totgeschwiegen. Die Bundesregierung gibt das Bild der drei Affen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Von den CO2-Einspazielen bis 2020, zu denen sich Deutschland vor zwei Jahren im Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat, haben sich CDU, CSU und SPD schon offiziell wieder verbschiedet. Diese Ignoranz gefährdet unsere Lebensgrundlage. Der Hitzesommer und die drohende Eskalation der Klimakrise zu einer Heißzeit zeigen, wie gefährlich dieses Schweigekartell ist. Während klimaschädliche Industrien mit Milliarden subventioniert werden, gibt es für den Schutz unserer Lebensgrundlage nur ein paar Millionen. Es mangelt nicht an den Möglichkeiten, um das Klima zu schützen. Dieser Regierung mangelt es am Willen.

Das Artensterben schreitet weiter voran. Besonders dramatisch zeigt sich das Bild bei den Insekten. 76 Prozent weniger Insekten – in Teilen sogar bis zu 82 Prozent weniger – wurde in 63 deutschen Schutzgebieten zwischen 1989 und 2016 festgestellt. Biologische Vielfalt ist unsere Lebensgrundlage. Sie ist nicht weniger wichtig für unser Überleben wie der Stopp der Klimakatastrophe.

Mit unserer Art zu produzieren, zu shoppen, zu essen und zu reisen, steuern wir weiter Richtung Abgrund. Kluge Haushaltspolitik setzt hier Anreize, um die Gesellschaft in eine nachhaltige und gerechte Zukunft zu lenken. Sei es über den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen oder nachhaltige Förderprogramme zum Beispiel für die Stärkung des ÖPNVs oder den Umstieg auf das Lastenrad. Stattdessen fördert die Bundesregierung weiter Plastiktüten, die konventionelle Agrarindustrie und den Flugverkehr. Kriminelle Umweltzerstörer lässt sie, wie im Dieselskandal, einfach gewähren.

Gerechtigkeit – Die große Ungleichheit bleibt

Die Mieten explodieren. Alle reden über den sozialen Wohnungsbau. Die Bundesregierung tritt aber auf der Stelle. Ihr fehlt der Wille das Problem an der Wurzel zu packen. Statt eine Investitionsoffensive für günstiges Wohnen mit einer ausreichenden Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus und der Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit, gibt es ein bisschen Alibi-Geld für die Länder. Relevant und wirksam sind die eingestellten Summen nicht. Mit dem Baukindergeld fördert die Bundesregierung sowieso lieber die Besserverdienenden und riskiert damit sogar einen weiteren Anstieg der Immobilienpreise in den Städten. Dabei ist Wohnen die neue soziale Frage und für viele Familien Kostentreiber Nummer eins.

Auch sonst fällt der Bundesregierung und dem Finanzminister wenig ein, um Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu stärken. Zur tatsächlichen Bekämpfung von Kinders- und Altersarmut fehlen der Wille und die Durchsetzungskraft. Zwar gibt es eine Erhöhung der Mittel beim Kinderzuschlag, aber den letzten und notwendigen Schritt zum Ausbau des Kinderzuschlags gehen sie nicht. Gleichzeitig hält die Koalition am starren System von Kindergeld und Kinderfreibeträgen fest. Davon profitieren weiterhin Besserverdienende am stärksten. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle, zum Beispiel beim Bildungs- und Teilhabepaket oder einer fairen und bedarfsgerechten Neuberechnung der Kinderregelsätze. So arbeitet die Bundesregierung nicht gegen die Spaltung der Gesellschaft, sie vergrößert sie.

Die Koalition schiebt Maßnahme gegen Altersarmut langjährig Versicherter auf die lange Bank. Auf faire Regelsätze in der Altersgrundsicherung verzichtet sie von sich aus. Strukturelle Fragen zur Rente schiebt sie in eine Kommission mit ungewissem Ausgang. Statt die gesetzliche Rente an ihrer Basis zu stärken, bürdet die Bundesregierung der Rentenkasten neue Milliardenkosten auf. Die Mütterrente II als systemfremde Leistung soll vollständig durch die Beitragszahler*innen finanziert werden. Zusammen mit der Mütterrente I belastet das die Rentenkasse dauerhaft mit fast 10 Mrd. Euro pro Jahr.

Insgesamt läuft die Rentendebatte der Bundesregierung an der Wurzel des Problems vorbei. Sie ist vor allem Blendwerk. Die sogenannte doppelte Haltelinie hält nur das, was sowieso vorausgesagt wird. Über die langfristige Probleme redet sie nicht und ausgerechnet der Finanzminister glänzt mit substanzarmen Vorschlägen. Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus ist das richtige Ziel. Die Finanzierung der Rente muss stabiler und gerechter werden. Das schaffen wir im Rahmen einer Bürger*innenversicherung in der alle, auch Beamt*innen, Abgeordnete und Vermögende zur Finanzierung der Rente beitragen. Flankiert mit weiteren Maßnahmen sichern wir so  das Rentenniveau auf dem heutigen Niveau ab.

Bildungschancen hängen nach 13 Jahren eines Unions-geführten Bildungsministeriums weiterhin viel zu stark vom familiären Hintergrund ab. Kinder mit Migrationshintergrund müssen mehr Hindernisse überwinden und Inklusion bleibt vielerorts ein ungelöstes Problem. Schulen im ganzen Land bröckeln vor sich hin und die viel zu spät bereit gestellten Bundesmittel zur Schulsanierung werden nicht abgerufen, weil die Länder aufgrund der unvorhersehbaren Investitionspolitik des Bundes über die Jahre ihre Planungskapazitäten abgebaut haben. Der eklatante Lehrermangel in vielen Bundesländern tut sein Übriges.

Die Bundesregierung hat sich viel zu lange hinter dem sperrigen Kooperationsverbot im Bildungsbereich versteckt und mit dem Finger auf die Bundesländer gezeigt, statt vor Jahren schon eine Initiative mit den Ländern für einen besseren Bildungsföderalismus und für gute Ganztagsschulen zu starten. Die jetzt geplante Verfassungsänderung ist insofern überfällig, aber unzureichend, da der Bund nicht nur in Schulgebäude und digitale Infrastruktur investieren soll, sondern endlich auch in die Köpfe von Lernenden und Lehrenden. Es braucht daher dauerhafte und konstante Finanzmittel des Bundes im Bildungsbereich, denn Bildung ist ein zentrales Aufstiegs- und Wohlstandsversprechen für jede und jeden Einzelnen.

Frieden – Aufrüstung statt Entwicklung und Diplomatie

Die Bundesregierung erhöht erneut massiv den Verteidigungsetat. Kein anderer Etat im Bundeshaushalt steigt stärker als der Rüstungsetat in den nächsten vier Jahren. Die Schere zwischen Mitteln für zivile Außenpolitik und Militär geht immer weiter auseinander. Das ist nicht vorrausschauend und nachhaltig. In einer Situation, in der kein Etat im Bundeshaushalt derart für den laxen Umgang mit Steuergeldern steht wie der Verteidigungsetat, werden weitere zusätzliche Gelder die aktuellen Probleme der Bundeswehr nicht lösen. Dies gilt im Besonderen, wenn mit weiteren Ausgaben für das Militär primär ein NATO-Prozent-Ziel erfüllt werden soll, dessen Höhe sich nicht aus konkreten Bedarfen ergibt, sondern eine willkürliche politische Festlegung ist. Fehlplanungen, unsinnige Rüstungsprojekte, die teilweise nicht mehr sind als Wahlkreisgeschenke, sowie mangelndes Controlling – das sind die Probleme der Bundeswehr.

Statt immer neuer Kriegsgeräte und den Einstieg in eine neue Aufrüstungsspirale, braucht es mehr Geld für Diplomatie, zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass in dieser Legislaturperiode die Etats des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums eins zu eins zu den Ausgaben für Verteidigung anwachsen sollen. 2019 erhält Frau von der Leyen aber vier Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr,  die beiden zivilen Außenressorts zusammen aber nur 400 Millionen Euro. Im Finanzplanungszeitraum sinken die Ansätze insgesamt für diese beiden Etats sogar. Das ist ein klarer Bruch des Koalitionsvertrages. Es ist unverständlich, dass ein sozialdemokratischer Finanzminister die internationale Glaubwürdigkeit Deutschlands so aufs Spiel setzt.

Europa – 10 Jahre Finanzkrise

Im September jährt sich die Pleite der Bank Lehmann Brothers zum zehnten Mal. Diese Bankpleite war der Beginn der weltweiten Finanzkrise, die auch in Europa zu schweren sozialen und politischen Verwerfungen geführt hat. Den versprochenen Aufbruch für Europa bleibt die Koalition aus CDU, CSU und SPD bisher schuldig. Finanzminister Olaf Scholz fehlt der Elan, um gemeinsam mit Macron und Juncker die notwendigen Reformen in Europa durchzusetzen. Die Vorschläge der Bundesregierung bleiben auf halber Strecke stehen. Alte Konstruktionsmängel der Wirtschafts-und Währungsunion werden nicht beseitigt. Die EU wird nicht wirksam gegen zukünftige ökonomische Krisen geschützt.

Der angekündigte Umbau des ESM zu einem Europäischen Währungsfonds zeugt weiterhin von einem Denken, das von kleinlichen Egoismen geprägt ist und aus den Fehlern der Vergangenheit viel zu wenig gelernt hat. Ein neues Vorsorgeinstrument, das – wie von Merkel und Macron vereinbart – allein wirtschaftlich und finanzpolitisch soliden Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen soll und Kredite nur gegen bedenkliche soziale Einschnitte gewährt, ergibt wenig Sinn. Und die anvisierte Renationalisierung der ESM-Strukturen höhlt letztlich die europäische Souveränität aus. Ein neues und starkes europäisches Gemeinschaftsgefühl entsteht so nicht. Auch das angekündigte Investitionsbudget leistet keinen substantiellen Beitrag zur Stärkung der Eurozone. Das Volumen im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich ist von vornherein zu klein. Allein in Deutschland besteht auf kommunaler Ebene ein Investitionsrückstand von über 150 Mrd. Euro.

Gutes Regieren – Verschwendung und Intransparenz stoppen

Good Governance, gute Regierungsführung, ist vor allem eine Frage der Gerechtigkeit. Gute Regierungsführung bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger genau nachverfolgen können, wo die Steuergelder hinfließen. Dass sie wissen, wie viel die Großprojekte kosten und wo ihr Geld für unsere gemeinsamen Angelegenheiten sinnvoll eingesetzt wird. Dabei geht es auch um Geschlechtergerechtigkeit. Wer profitiert von welchen Maßnahmen und wer sind die Verliererinnen und Verlierer verschwenderischer Haushaltspolitik? Erstaunlicherweise ist Geld in Milliardenhöhe bei Rüstungsdesastern vorhanden, aber für die notwendige Unterstützung von Alleinerziehenden und armen Rentner*innen reicht es nicht.

Die Bundesregierung verschiebt immer mehr Geld in intransparente Sondervermögen. Zwar sind diese im Bundeshaushalt ordnungsgemäß ausgewiesen, der Mittelabfluss und die Verwendung sind aber im Sinne der Haushaltsklarheit und Wahrheit nur schwer nachzuvollziehen. So schafft sich die Bundesregierung immer mehr undurchsichtige Spartruhen. Die Sondervermögen sind dabei aber nur ein Symptom für ihre Planlosigkeit. Wer eine dauerhafte Investitionsstrategie verfolgt, wird nicht von Überschüssen überrascht und kann das Geld auch ohne Sondervermögen sinnvoll ausgeben. Besonders dreist ist die neue Schatzkiste des Verteidigungsministeriums. Ursula von der Leyen bekommt immer mehr Geld für ihren Etat, weil sie es aber gar nicht veräußern kann, darf sie nun Rücklagen bilden. Dabei wäre es bei einer guten Planung kein Problem, ohne zusätzliche Rücklagen überjährig Investitionsvorhaben zu finanzieren.

Immer mehr Geld des Verkehrsministeriums verschwindet in Öffentlich-Privaten-Partnerschaften. Die Bundesregierung hält aus ideologischen Gründen an dieser für die Bürger*innen teuren und intransparenten Form der Infrastrukturfinanzierung fest. Aktuell plant sie den Betrieb des LKW-Mautsystem trotz des Toll-Collect-Skandals um falsche Abrechnungen in Millionenhöhe erneut an private Unternehmen zu übergeben. Dieser Betrieb durch Private ist nicht nur unwirtschaftlich, er schafft auch Intransparenz und macht die demokratische Kontrolle der Projekte faktisch unmöglich. Den Abgeordneten des Deutschen Bundestages wird der Zugang zu den wichtigsten Dokumenten wie den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und den Betreiberverträgen verwehrt. Am Ende gewinnen die Privaten, denn ihre Rendite garantiert der Staat und die Steuerzahler*innen schauen in die Röhre.  Diese teure Form der Infrastrukturfinanzierung hat sich überlebt.

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