Sommer-Unterstützungspaket für Kinder, Jugendliche und ihre Familien

Autorenpapier von Katrin Göring-Eckardt, Maria Klein-Schmeink und Ekin Deligöz

Kinder, Jugendliche und ihre Familien haben zum Schutz aller in den vergangenen 15 Monaten mit Vorsicht und Umsicht auf vieles verzichtet und damit enormes geleistet. Umso bitterer ist es, dass für sie in der Corona-Pandemie so wenig getan wurde. Der Rücktritt der Familienmi-nisterin darf jetzt nicht auch noch zu Lasten der Kinder und Familien gehen. Der politische Umgang mit der Corona-Krise und das kaum sichtbare Krisenmanagement der ehemaligen Ministerin Giffey haben eines deutlich gezeigt: Es wird Zeit für einen Politikwechsel, der wahr-nimmt, was Kinder, Jugendliche und ihre Familien jetzt wirklich brauchen.
Jeder Schülerin und jedem Schüler sind im vergangenen Jahr zwischen 350 und 800 Unter-richtstunden weggefallen. Doch verpasster Matheunterricht ist längst nicht alles. Kinder und Jugendliche haben viele Entbehrungen auf sich genommen, und bei vielen Familien ist einfach der Akku leer. Die verpasste Klassenfahrt, der ausgefallene Kindergeburtstag oder der ge-platzte Traum vom Schulabschlussball lassen sich nur schwer wettmachen. Die Folgen der Ein-schränkungen für Gesundheit, Psyche und die Entwicklung von Kindern und Heranwachsen-den sind gravierend. Entsprechende Untersuchungen schlagen Alarm: Sorgen und Ängste ha-ben noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwer-den sind verstärkt zu beobachten. Fast jedes dritte Kind leidet ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie darunter. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen die gar keinen Sport machen, hat sich in der Pandemie verzehnfacht. Damit fällt nicht nur Bewegung weg, Kinder und Ju-gendliche treffen beim Sport auch ihre Freunde, lernen Teamgeist und den Umgang mit Kon-flikten, Siegen und Niederlagen.

Nachholen von versäumten Unterrichtsstoff allein reicht nicht aus. Das Nachhilfeprogramm der Bundesregierung wollen wir zu einem langfristigen Bildungsschutzschirm ausbauen. Es müssen die psychischen Folgen der Krise stärker in den Blick genommen werden. Im 15. Mo-nat des Ausnahmezustands brauchen viele Kinder eine helfende Hand und ein offenes Ohr, um den Weg in ihr normales Leben zurück zu finden. Dafür wollen wir in zusätzliche Schulso-zialarbeiterinnen und Psychologinnen an Schulen investieren, mehr Therapieangebote schaffen, Krisenintervention und Einzelfallhilfe für Familien ausbauen. Spätestens zum neuen Schuljahr sollen sich Kinder und Familien auf tragfähige Unterstützungsangebote verlassen können. Und es muss jetzt durch Bund und Länder sichergestellt werden, dass wirklich alle Kinder und Jugendliche, wo der Wunsch besteht, bis zum Ferienende einen Impfschutz erhal-ten.
Darüber hinaus müssen Kinder und Jugendliche stärker in den Blick genommen werden, wenn jetzt geöffnet wird. Sie brauchen im Sommer Angebote für das, was fehlte: Mehr Bildung, mehr Bewegung, mehr Freizeit, mehr Begegnungen. So kann nach über einem Jahr des Ver-zichts für Kinder und Jugendliche ein Sommer mit wiedergewonnenen Freiheiten und neuen Möglichkeiten beginnen. Bund, Länder und Kommunen müssen für den Sommer ein gemein-sames Maßnahmenpaket zur körperlichen und seelischen Gesundheit von Kindern, Jugend-lichen und Familien schnüren. Dafür schlagen wir folgende Punkte vor:

  1. Kommunales Freizeitaktionspaket für Familien Der Sommer steht vor der Tür. Angebote der Kinder- und Jugendarbeit konnten monatelang nicht stattfinden, sie müssen gestärkt werden. Kinder und Jugendliche sollen draußen endlich wieder das Leben spüren und mit Gleichaltrigen unbeschwert Freizeit genießen. Mit flexiblen, einfach zu beantragenden Freizeitbudgets sollen Kommunen unterstützt werden, ihnen viel-fältige, Angebote schnell und leicht zugänglich zu unterbreiten. Der Bund legt ein Modellpro-jekt auf, über das jede Kommune ein Budget zur Entwicklung von Freizeitangeboten für Fami-lien im Sommer beantragen kann. Damit können das Schnelltestmobil vor dem Freibad, Out-door-Aktivitäten im Park, Familienworkshops oder Open-Air-Konzerte und Kindertheater gleichermaßen finanziert werden. Für die Angebote gelten selbstverständlich Hygienekon-zepte. Die Kommune entscheidet eigenverantwortlich, wie sie das Geld unbürokratisch und schnell weiter gibt. Kriterium der Förderung ist der Freizeit- und Altersbezug.
  2. Energie tanken mit dem Familien-Erholungsprogramm Die Pandemie hat vielen Familien alle Kraft- und Energiereserven gekostet. Es wird Zeit, auf-zutanken. Dafür müssen Familienberatungsstellen, Krisendienste und Nothilfehotlines ge-stärkt und ausgebaut werden. Mit einem Familien-Erholungsprogramm sollen Eltern-Kind-Kuren ausgebaut werden. Zudem sollen darüber Familien in der Grundsicherung oder mit kleinem Einkommen Urlaubsgutscheine unbürokratisch und ohne Anrechnung beantragen können.
  3. Sportangebote für Kinder und Jugendliche stärken Viele Kinder und Jugendliche mussten in den vergangenen Monaten auf Sportangebote, ihren Sportvereine oder Schwimmunterricht verzichten. Damit das Sportvereinsleben endlich wie-der voll und ganz für sie starten kann, sollen Amateursportvereine unkomplizierte Angebote für zwei Schnelltests pro Woche und Kind erhalten. Die Hygienekonzepte – kleine, feste Grup-pen und AHAL Regeln – erfordern von den Sportvereinen mehr Angebote. Mit Sonderbudgets für Sommercamps können sie unbürokratisch darin unterstützt werden, kurzfristige und pan-demiekonforme Sportangebote in den Sommerferien auf die Beine zu stellen.
  4. Mit dem Interrail-Ticket raus in die Welt Die große Reise nach dem Schulabschluss, das Au-Pair Jahr oder das Auslandssemester sind für viele junge Menschen ein wichtiger Schritt ins Erwachsenenleben. Keine dieser Pläne konnte im letzten Jahr verwirklicht werden. Der Weg in die Eigenständigkeit erfordert den Blick über den Tellerrand und das Erfahren von neuem. Deshalb wäre es sehr wertvoll, hier eine Angebot der Unterstützung zu bieten: Wer in der Pandemie 18 geworden ist, erhält ein kostenloses Interrail-Ticket, um coronagerecht Europa zu erfahren und zu erleben.
  5. Appell an die Kommunen: Platz für Familien schaffen! In die Städte kehrt das Leben zurück und in diesem Sommer soll es vor allem draußen statt-finden. Dort, wo coronabedingt weniger Platz ist, sollen Familien mit Familienöffnungszeiten bevorzugt behandelt werden: Das gilt bspw. für Freibäder, Zoos, etc. „Die Straßen sind zum Spielen da!“, soll deshalb so oft wie möglich Realität werden. Mit temporären Spielstraßen kann der öffentliche Raum in diesem Sommer neu aussehen.
  6. Alle an den Tisch – Zukunftsgipfel für eine langfristige Bildungs- und Chancenoffensive Das Ende der Pandemie muss der Start für bessere Chancen für Kinder und Jugendliche sein. Gemeinsam müssen wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass die Pandemie die soziale Spaltung nicht verfestigt. Schon vor der Pandemie ist jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufge-wachsen und hingen Bildungschancen enorm vom Bildungserfolg der Eltern ab. Es verdienen aber alle Kinder und Jugendliche eine gute Zukunft. Deshalb müssen jetzt alle Verantwortlichen an einen Tisch und auf einem Zukunftsgipfel für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit Maßnahmen für grundlegende strukturelle Veränderun-gen verabreden: Bund, Länder und Kommunen, Schul- und Jugendhilfeträger, Kinder- und Ju-gendverbände, bis hin zu Jobcentern und Jugendberufsagenturen.

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