Offener Brief an CSU-Landesgruppe zur Wahlrechtsreform
wir befinden uns ohne Zweifel in schwierigen Zeiten, die Politik und Gesellschaft in unserem Land herausfordern und wir alle arbeiten im Moment auf ein Ziel hin: diese Krise zu überwinden. Aber im Schatten dieser Situation dürfen andere wichtige Themen nicht unter den Tisch fallen. Dies gilt etwa für die Reform des Wahlrechts.
Der Bundestag hat sich in den letzten Wahlperioden deutlich über seine Sollgröße von 598 vergrößert. Seit der Bundestagswahl 2017 gehören ihm 709 Abgeordneten an, das sind 111 Abgeordnete mehr als eigentlich vorgesehen. Sollten sich aktuelle Umfragewerte in Wahlergebnissen niederschlagen, ist eine Bundestagsgröße von über 800 nicht ausgeschlossen.
Aus diesem Grund ist eine Wahlrechtsreform dringend notwendig: Es ist nicht vertretbar, warum dem Bundestag dauerhaft weit über 700 oder gar 800 Abgeordnete angehören sollen. Die Kosten für ein solch überdimensioniertes Parlament wären enorm. Darunter litte – neben dem Ansehen – vor allem auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments. Leider hat die vom Bundestagspräsidenten einberufene Arbeitsgruppe zur Reform des Wahlrechts ihre Arbeit ohne Ergebnis beendet. Die Unionsfraktion war nicht bereit, über eine Verringerung der Anzahl der Wahlkreise nachzudenken. Man muss an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Bis heute ist es vor allen Dingen die CSU, die jede Lösung blockiert, und das ist unverantwortlich.
Die Zeit drängt, und das wissen wir alle. Wir sind nach wie vor bereit, sämtliche Vorschläge auf Grundlage des personalisierten Verhältniswahlrechts ernsthaft zu diskutieren, aber diese Bereitschaft fordern wir auch von anderen ein. Die bisherigen Vorschläge der Union, die darauf zielen, Überhangmandate einfach nicht auszugleichen, widersprechen dem System der Verhältniswahl, denn somit würde das Zweitstimmenergebnis erheblich verzerrt werden. Wir alle gemeinsam müssen nun zügig eine Lösung finden.
Wir fordern deshalb die CSU auf,
ihre Blockadehaltung bei diesem Thema endlich aufzugeben und konstruktiv und zielführend mit allen Fraktionen im Bundestag zu arbeiten.
Und das ist nicht alles, was wir Grüne versuchen:
Vergrößerung des Bundestages verhindern
Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben sich die Bundestagsfraktionen unter Leitung des Bundestagspräsidenten Schäuble zusammengesetzt, um zu beraten, wie ein übergroßer Bundestag vermieden werden kann – leider ohne Ergebnis.
Die Union war bisher nicht bereit, sich auf echte Lösungen einzulassen. Und bei der SPD weiß niemand so recht, was sie will. Wir sind aber der Überzeugung: Die Chance für eine Wahlrechtsreform ist vorhanden! Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP Bundestagsfraktion und Friedrich Straetmanns, rechtspoltischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, haben deshalb im Oktober 2019 einen Gesetzentwurf zum Wahlrecht vorgestellt. Der Entwurf wurde in den drei Fraktionen beschlossen und gemeinsam in den Bundestag eingebracht.
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